Seid ihr Wrestling-Fans wie ich, dann liebt ihr doch sicherlich eine heldenhafte Comeback-Geschichte. Wenn es scheint, als wäre jemand vollständig am Boden und die Aussicht auf einen Sieg oder Titel weiter entfernt als das nächste Sonnensystem. Man schaue sich allein einmal die im Wrestling-Kreisen derzeit allgegenwärtige Geschichte von Cody Rhodes an!
Dereinst von der WWE komplett auf dem Abstellgleis geparkt, mit einem lachhaften Gimmick ausgestattet und dann ruhmlos gefeuert, kam der Sohn des legendären Dusty Rhodes einige Jahre später zur größten Wrestling-Promotion der Welt zurück - diesmal als gefeierter Megastar.
Fabiano Uslenghi
Ihr kennt Fabiano als stilvollen Gaming-Enthusiast, der gerne gehoben über Strategie- und Rollenspiele sinniert. Aber Fabiano ist ebenso ein passionierter Wrestling-Fan, der kurz davor war, 2024 tausende Euro für die erste Premium-Show in Deutschland auszugeben, damit er auf den Zuschauerrängen zu abgesprochenen Schaukämpfen grölen darf. Er hat es dann nicht getan. Aber dafür WWE 2K24 ausführlich gespielt - und derzeit plant er nicht, damit so schnell aufzuhören.
Ähnlich heldenhaft gestaltet sich jetzt auch das Comeback von WWE 2K24, von dessen Cover mir passenderweise Cody Rhodes siegesgewiss entgegen grinst und in dessen Vollversion ich bereits über 20 Spielstunden gesteckt habe. Denn noch vor wenigen Jahren schien die Reihe komplett am Ende. WWE 2K20 war ein absolutes Machwerk, dem es vorne und hinten an Inhalten fehlte und das vor allem so horrende Bugs aufwies, dass es sich wirklich nur als zum Schreien komisches YouTube-Video ertragen ließ. Gott … 2020 war wirklich ein hartes Jahr.
Nur hat sich 2K diese Katastrophe überraschenderweise nicht gefallen lassen. Zum ersten Mal seit über 20 Jahren gab es 2021 keinen neuen Teil. Stattdessen wurde die Reihe 2022 wieder auf Schiene gebracht und mit WWE 2K24 hat sie heute endlich wieder ein Niveau erreicht, das mich als Fan lauter jubeln lässt als die WWE-Rückkehr von CM Punk - noch so eine wahnsinnige Comeback-Geschichte.
1:09WWE 2K24: Der Trailer enthüllt das Gameplay zum diesjährigen Wrestling-Spektakel
Ein goldener Jahrgang
Eins vorweg: Ja, WWE 2k24 ist ein jährliches Sportspiel - auch wenn es sich 2021 eine Auszeit nahm. Aber eigentlich erscheint es jedes Jahr und hat damit natürlich wie für diese Spiele üblich erst einmal den Makel an sich haften, dass sich von Jahr zu Jahr eher Details verändern.
Ich schreibe hier außerdem aus der Perspektive eines Menschen, der diese Dinger wirklich jedes Jahr ausführlich spielt. Seit 2007 bin ich regelmäßig dabei, selbst wenn ich zwischenzeitlich die reale WWE links liegen ließ. Nur für 2K20 war mir meine Zeit dann doch zu wertvoll.
Ich bin also jemand, der selbst dann seinen Spaß hat, wenn sich wenig ändert. Aber ich sehe natürlich auch, wann ein Jahrgang wirklich glänzt und wann eher nicht. Und WWE 2K24 ist einer von diesen Jahrgängen, wo ich sagen muss: Das lohnt sich! Vor allem, wenn ihr gar nicht jedes Jahr zuschlagt. Versteht ihr? Zuschlagen? Na gut.
Mit 2K24 hat sich die Reihe vollständig von dem Horrorjahr 2020 erholt. Es ist ein Ableger, indem spürbar ist, dass die Arbeit der letzten Jahre goldene Früchte trägt. Wo keine Features unerklärbar gestrichen wurden, sondern es zunehmend besser und größer wurde. Wo sich alles zu einem bemerkenswerten Meilenstein zusammensetzt.
Hinweis zu den Missbrauchsvorwürfen gegen Vince McMahon
Der WWE-Mitgründer und langjähriger CEO Vince McMahon trat Anfang 2024 von allen Ämtern zurück, nachdem erneut schwere Vorwürfe gegen den Unternehmer erhoben wurden. Grund für die Vorwürfe sind laut Anklage jahrelanger sexueller Missbrauch weiblicher Mitarbeiterinnen. Die WWE hat sich bereits von McMahon distanziert, im Spiel taucht er in seiner fiktiven Rolle als Mr. McMahon im Showcase-Modus jedoch nach wie vor auf. Gleiches gilt für den ehemaligen World Champion Brock Lesnar, welcher angeblich in Teilen involviert sein soll. Lesnar ist lediglich im Showcase-Modus spielbar, Mr. McMahon gar nicht. Mehr zu den Hintergründen erfahrt ihr hier.
In jeder Disziplin an Qualität gewonnen
Ich persönlich bin letztes Jahr mit AEW: Fight Forever nicht wirklich warm geworden - dem ersten großen WWE-Konkurrenten seit Jahrzehnten. Auch hier war Cody Rhodes dabei, ansonsten ähneln sich die beiden Spiele kaum. Fight Forever hat versucht, die glorreiche N64-Ära der Wrestling-Spiele aufleben zu lassen und spielt sich wie ein aus der Zeit gefallener Arcade-Brawler.
Die WWE-Spiele von 2K streben hingegen nach einer gewissen Simulation. Das gefällt nicht jedem, da es sich für ein Spiel einfach ein wenig steif anfühlt. Aber ich persönlich will es genau so haben! Ich will mich fühlen, als würde ich selbst eine Show nacherleben und mein eigenes WWE-Match bestreiten. Will sogar bewusst Spannung durch meine Spielweise aufbauen und mich an alte Wrestling-Gesetze halten. Ich versuche mit jedem Match eine kleine Geschichte zu erzählen und leg es nicht darauf an, einfach so effizient wie möglich zu gewinnen.
Das macht mir 2K24 so leicht wie nie. Zumal das Spiel sich selbst nochmal etwas geschmeidiger spielt als letztes Jahr. Das sind oft Details, die im Vergleich aber viel ausmachen. Gerade, wenn es um Atmosphäre geht. Manöver aus vollem Lauf kommen beispielsweise deutlich besser zur Geltung, da sich die Stars jetzt viel präziser dabei kontrollieren lassen. Es gibt eine gewaltige Auswahl an unterschiedlichen Moves, die alle hervorragend animiert wurden.
Ungelenke Zusammenstöße sind seltener, peinlich KI-Aussetzer ebenso - auch wenn es nach wie vor vorkommen kann. Auch abseits des Rings packt WWE 2K24 dringend notwendige Optimierungen drauf.
Im Universe Modus kann ich dank neuer Rivalitäts-Optionen so frei walten wie noch nie und bin beispielsweise bei geplanten Einmischungen nicht mehr von der Willkür der KI abhängig. Ähnliches gilt für den Manager-Modus, der sich durchdachter, größer und facettenreicher anfühlt.
Manager-ModusUniverse-Modus
Der GM-Modus erlaubt mehr Match-Arten in jeder Show und verfügt nun über ein Scouting-System.
Früher war es Zufall, gegen wen ein Wrestler antritt, solltet ihr ihn überfallen wollen. Jetzt wählt ihr seinen derzeitigen Kontrahenten selbst aus.
Beides profitiert obendrein von den neuen Match-Typen. Das sind unterhaltsame Neuheiten wie Ambulance Match, Casket Match und Special Referee. Und falls euch das nichts sagt - ja, in einem Casket Match müsst ihr euren Kontrahenten in einem Sarg einsperren.
Das sind ein paar quatschige Gimmick-Matches, die ich in den Jahren davor schmerzlich vermisst habe. Ich will absurde Geschichten erzählen und erleben! Da hilft so ein alberner Quark ungemein! Es ist eben Wrestling. Zumal alle neuen Matches gut umgesetzt wurden. Gerade Special Referee führt ein komplett eigenes System dafür ein, wenn ich selbst als Ringrichter antrete … und das macht tatsächlich Spaß!
Wie immer nicht perfekt
Der Vollständigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass auch 2K24 jetzt nicht das Magnum Opus der Wrestling-Spiele darstellt. Sicherlich nicht. Aber erfahrungsgemäß zeigen frühere Releases, dass es eben nicht immer nur nach vorne geht.
Selbst dieses Jahr funktioniert nicht alles derart gut, wie ich mir das wünschen würde. Aus irgendeinem Grund zählen Schiedsrichter einige Pins nun etwa erst mit spürbarer Verzögerung an. Außerdem könnten einige Modi weiterhin Verbesserungen vertragen. Der Managermodus erlaubt nach wie vor keine reinen Leiter-Matches und bildet nur etwa ein Drittel des gesamten Wrestling-Jahres ab - wobei selbst auf große Events wie dem Royal Rumble oder Survivor Series verzichtet wird.
Der Showcase-Modus widmet sich 40 Jahre Wrestlemania, deckt mit 21 Matches (in Wahrheit sogar nur 20) teilweise aus dem gleichen Jahr aber nicht einmal die Hälfte all dieser Großveranstaltungen ab. Zudem zeigt der Modus während der Matches reale Filmszenen, überspringt dabei aber selbst dann keine Minute, wenn überhaupt nichts Spannendes passiert. Beim Match zwischen Hulk Hogan und dem Ultimate Warrior wird das Gameplay unterbrochen, nur damit ich zusehen darf, wie Hogan etwa zwei Minuten lang vom Warrior »umarmt« wird.
Es ist und bleibt eben ein Sportspiel. Dafür spricht beispielsweise auch der furchtbar aufgesetzte MyFaction-Modus, mit dem 2K verzweifelt versucht, dem jährlichen Microtransaction-Wahnsinn von FIFA, NBA und Co. einen Wrestling-Stempel aufzudrücken.
Da hilft nur: ignorieren. Das Ignorieren klappt glücklicherweise hervorragend, denn abseits von MyFaction hat sich genug getan, um wochenlang mit WWE 2K24 Spaß zu haben. Vor allem dann, wenn ihr eben nicht jährlich in den Ring steigt, sondern euch die Kirschen herauspickt.
2K24 ist eine solche Kirsche - und zwar eine der süßesten überhaupt.